Zur Photographie und Biographie von Christine Brauchli
Unbekannte Lebensräume. Eine Parallelwelt vielleicht. Bild um Bild bezauberndes, unserem Leben irgendwie verwandtes Geschehen. Es west, tanzt und wandelt sich, ekstatisch zuweilen, in verspielter, duftender Farbigkeit. Körperhaft anmutende Wesen sind in der einen Erscheinung gleichzeitig fliessende, sich verfestigende und sich auflösende Energieballungen. Alles schwebt und webt in reiner Lebenslust. Eine befreite Welt, in geheimer Gesetzmässigkeit gründend. Immer wieder auftauchende, vitale Wesenheiten entziehen sich jeder Identifizierung, verwandeln sich in unmittelbar neue bekannt-unbekannte Lebensformen... Die Schöpferin solcher ganz und gar eigenständiger Welt zeigt uns in jedem Bild rein fotographisch zielsicher jeweils den ergiebigsten Moment des Geschehens, mit einem ausgeprägten Sinn für Komposition, der das Bild selber zum Objekt, ja zur Wesenheit macht.
Den Akt-Fotos scheint im ersten Moment völlige Vertrautheit zu eigen. Eine Frau steht da, manchmal als dieselbe Frau in drei weiblichen Wesen zugleich. Zeitlosigkeit herrscht. Dunkelheit, im Bild allgegenwärtig, saugt den Blick in sich auf. Wer nach dem Geheimnis dieser Finsternis fragt und sich in Gedanken in dieses Dunkel wagt, läuft Gefahr, seinen Geist im Tiefenrausch zu verlieren. Die Frau hingegen steht aufrecht, in sich ruhend; Verlorenheit ist ihr fremd. Sie atmet Schönheit, Sinnlichkeit, selbstbewusste Präsenz. Sie ist der eine Pol des Universums und in ihr verkörpert sich die Würde der Frau. Mitten in der Weltraumkälte steht sie nackt. Doch an ihrem Feuer wärmen sich alle, denen es an ihrer Erscheinung gelegen ist. Denn ihr immenses inneres Licht ist eine starke Sprache. - Ich selber kann so unverhüllt, transparent und leuchtend dastehn, sagt einem da die eigene Stimme. - Das Dunkel, das ich sehe, ist mein noch ungeborenes Licht. Mein Ursprung und der ganze Reichtum aus dem Ursprung ist das Licht, das mich erfüllt und das ich selber bin. Christine Brauchli, 1957 in Bregenz geborene Schweizerin, übte sich bereits in ihrer Jugendzeit mit Bleistift, Kreide und Kohle im Zeichnen, mit Vorliebe von weiblichen Aktstudien. Im weiteren aquarellierte und modellierte sie, studierte eine zeitlang Maltherapie und wollte Bildhauerin werden. Doch über die kreativ energetischen Erfahrungen hinaus begegnete sie dem Menschen, in ihren Berufen als Krankenschwester, Gemeindeschwester, Sozialpädagogin und seit Jahren als selbständige Körpertherapeutin. Die energetische Arbeit, das therapeutische Gespräch und das Kunstschaffen finden ihre Gemeinsamkeit in der Bewusstseinserweiterung, im Raumgeben für neue Einsichten, Wandlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Sie selbst wird durch das Dasein und Sosein der Lebenserscheinungen in Staunen versetzt, insbesondere darin, wie sich Natur, Geist und Seele auf der irdischen, wie auf der künstlerischen Ebene in faszinierenden Formen und Farben verkörpern. Wie sich das Gewöhnlichste verwandeln kann, wenn sie sich im kreativen Akt darauf einstimmt und sich darin und dahinter eine neue Welt eröffnet. Prägende Erfahrungen machte die Künstlerin mit den Menschen, die sie im Sterben begleiten durfte. Es hört sich wie eine Ästhetik des Sterbens an, wenn sie von der ergreifenden Schönheit dieses Prozesses spricht, der zu einer langsam sich eröffnenden neuen Dimension führt: "Eine Türe öffnet sich in einen anderen Raum, in den hinein der Mensch sich ausdehnt und weiterlebt." Es sind diese Hinweise auf andere Dimensionen, Transformationen und Verkörperungen, die Christine Brauchli uns in ihre Kunst mitteilt.
Matthias Odermatt
Zu den Photographien von Christine Brauchli
Erscheinungen faszinieren die Menschen seit Urzeiten.
Erscheinungen sind “Geschenke des Himmels“, welche uns Unsagbares oder gar Unglaubliches zeigen. Ihre Sprache ist oft symbolisch oder abstrakt, nicht von dieser Welt und sie lassen uns immer mit Fragen zurück.
Wenn solche Erscheinungen photographiert vorliegen, sind die Bilder meist unscharf oder verwackelt und der Beweis ihrer Authentizität bleibt geschuldet . . .
Nun, auch Christine Brauchli’s grossformatige Aktfotos der „Light being series“ sind unscharf oder verwackelt. Allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, denn erst dadurch gestatten sie uns einen Blick in die Seele der Figuren. Die meist aus universellem Schwarz tretenden Gestalten entwickeln eine beinahe magische Strahlkraft, welche den empfänglichen Betrachtenden unmittelbar anspricht. Die Figuren repräsentieren Lichtwesen auf der Spur menschlicher Existenz.
Auch die nicht figurativen Darstellungen evozieren zauberhafte Assoziationen, welche wir im innersten oder auch im äussersten, interstellaren Raum ansiedeln können.
Die Künstlerin trifft mit ihren Energie-Bildern unprätentiös und entfernt von jeglicher New Age Romantik ins Zentrum unserer Existenz.
Andreas Schneider